31.7.70

Oh Happy Day (Zbynek Brynych, 1970)

»›Die Jugend‹, sagt Mao, ›ist wie die Sonne um acht oder neun Uhr morgens.‹« Anna (Anne-Marie Kuster), die schulmädchenhaft-kichernde, jungfräulich-liebesdurstige Protagonistin des Films, zitiert verkürzt; wörtlich sagte der große Vorsitzende: »Ihr jungen Menschen, frisch und aufstrebend, seid das erblühende Leben, gleichsam die Sonne um acht oder neun Uhr morgens. Unsere Hoffnungen ruhen auf euch.« Anna fühlt keinerlei Hoffnung auf sich ruhen, nur Ansprüche und Verständnislosigkeit, ihr erblühendes Leben droht unter einer Käseglocke herablassender Behütung noch vor der Maienzeit abzuwelken. Weder ihre Eltern (Nadja Tiller und Karl Michael Vogler) noch die Lehrerinnen an der Nonnenschule (darunter die erotisch-ironische Hanne Wieder) begreifen, was das Fräulein will. So geht Anna alleine auf die Suche nach der Freiheit, die sie meint, nach einem neuen Wort für Liebe, mäandert auf ihren tagträumerischen Wegen von einem schweigsamen Chauffeur (Siegfried Rauch) zu einem schmeichlerischen Geschäftsmann, von bedröhnten Hippies zu ihrem fußballbegeisterten Busenfreund Robert (Amadeus August). Zbynek Brynych, der hintersinnige Irre von Prag, verdichtet seinen popfarbenen Münchner Coming-of-age-Report auf zwei Tage erzählte Zeit, zwei »happy days« voller schriller Wortwechsel und alltäglicher Albdrücke, voller psychedelischer Einsichten und tiefer Blicke in die Augen der Akteure. Die ersehnte Befreiung findet schließlich in einem desinfizierten Hotelzimmer statt … Ein glucksendes Sittenbild wie aus dem Inneren einer Lavalampe.

»Oh Happy Day« R Zbynek Brynych B Alexander Fuhrmann K Josef Vanis M Peter Thomas A Leo Karen S Sophie Mikorey P Walter Tjaden D Anne-Marie Kuster, Amadeus August, Nadja Tiller, Karl Michael Vogler, Siegfried Rauch, Hanne Wieder | BRD | 90 min | 1: 1,66 | f | 31. Juli 1970

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