13.9.73

Belle (André Delvaux, 1973)

»Connaître ou reconnaître …« Mathieu Grégoire (Jean-Luc Bideau), Archivar und Schriftsteller, Spezialist für Liebeslyrik des 16. Jahrhunderts, lebt mit Gattin und fast erwachsener Tochter im beschaulichen Ardennenstädtchen Spa. Eines Nachts, auf der Heimfahrt von einem Vortrag, fährt er im Wald einen Hund an, der verletzt in der Dunkelheit verschwindet. Am nächsten Tag kehrt Mathieu mit einem Jagdgewehr zurück, um das verwundete Tier zu erschießen. Auf seinem Streifzug entdeckt er eine verfallene Hütte, in der eine schöne Frau wohnt, die Mathieus Sprache nicht versteht … Die Situation erinnert an »Un soir, un train«: Wieder beschwört André Delvaux das Irren in spätherbstlicher Einsamkeit, die Unmöglichkeit von zwischenmenschlicher Verständigung. Doch mehr als der Vor(vor)gänger ist »Belle« das Portrait einer zauberisch-entrückten Landschaft. »Tant de tristesses plénières / prirent mon cœur aux fagnes désolées«, dichtete Guillaume Apollinaire über die Hautes Fagnes (das Hohe Venn) im deutsch-belgischen Grenzgebiet. Das entlegene Hochmoor voller Sumpflöcher, überzogen von buschigem Heidekraut, düsterem Nadelgehölz, toten Bäumen und feuchtem Dunst, bildet den märchenhaften Schauplatz für die sich langsam steigernde seelische und erotische Konfusion des Protagonisten, der sich im gleichen Maße von Familie, Freunden und Beruf entfremdet, wie er der unbekannten, enigmatischen Fremden verfällt. Ist die Begegnung mit Belle ein Faktum? Oder eine Vision? Handelt es sich um eine Ausgeburt sexueller Verwirrung, um poetische Phantasie, um Wahnvorstellungen eines Mannes in der Mittlebenskrise, um den Einbruch von Wunschbildern in die Wirklichkeit? Wer ist der Andere, der unvermutet auftaucht? Ist er Belles Bruder, ihr Geliebter, ihr Komplize? Stirbt ein Hund? Oder ein Mensch? Ist das Leben ein Traum? Oder ein Film?

R André Delvaux B André Delvaux, Monique Rysselinck K Ghislain Cloquet M Frédéric Devreese A Claude Pignot S Emmanuelle Dupuis, Pierre Joassin P Jean-Claude Batz D Jean-Luc Bideau, Danièle Delorme, Adriana Bogdan, Roger Coggio, Stéphane Excoffier | B & F | 96 min | 1:1,66 | f | 13. September 1973

# 849 | 15. März 2014

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen