8.11.78

In einem Jahr mit 13 Monden (Rainer Werner Fassbinder, 1978)

Frankfurt. Fünf Tage im August 1978. Fünf Tage aus dem Leben der Elvira Weishaupt. Ihre letzten. Geboren wurde Elvira (Volker Spengler) als Erwin. Von der Mutter weggegeben. Aufgezogen von Nonnen im Waisenhaus. Dann Metzgerlehre. Ehe. Kind. Später Operation in Casablanca. Aus Liebe zu einem Mann, der von dieser Liebe nichts wissen will. Schließlich Prostitution. Alkohol. Depression. Das Endspiel dieses kaputten (oder »von der Ordnung, die die Menschen sich geschaffen haben«, kaputtgemachten) Lebens läuft ab als groteske Nummernrevue der Verzweiflung: die (Geschäfts-)Welt erscheint als veritables Schlachthaus, als Analogie des Konzentrationslagers, als dumpfer Todesreigen, die Gesellschaft zeigt sich als kalte, häßliche Hölle der Ausbeutung, der Lüge, der Sprachlosigkeit, der Liebesverweigerung, des absoluten Nein. »Idee, Buch, Produktion, Kamera, Ausstattung, Schnitt, Regie: Rainer Werner Fassbinder«, verkündet der Vorspann. Das Ergebnis ist so etwas wie der totale Autorenfilm, eine ungelenke, ungebremste, oft unansehnliche, in ihrer radikalen Entblößung bisweilen erschütternde Mischung aus kaum zumutbarer Larmoyanz und schriller Travestie, aus deklamatorischer Anklage und wimmerndem Schmerz, aus glasklarer Erkenntnis und (selbst-) zerstörerischer Lust. »In einem Jahr mit 13 Monden« mag Fassbinders persönlichstes Werk sein: Seine kulinarisch genossene Unfähigkeit zum (bzw. seine Verweigerung des) Glück(s) hat sich kaum je so rundheraus, so maßlos in lebende (?) Bilder transformiert wie im horrenden Fall der Elvira Weishaupt.

R Rainer Werner Fassbinder B Rainer Werner Fassbinder K Rainer Werner Fassbinder M Peer Raben A Rainer Werner Fassbinder S Rainer Werner Fassbinder P Rainer Werner Fassbinder D Volker Spengler, Ingrid Caven, Elisabeth Trissenaar, Gottfried John, Liselotte Eder | BRD | 124 min | 1:1,66 | f | 8. November 1978

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