29.3.73

Die Legende von Paul und Paula (Heiner Carow, 1973)

»Ideal und Wirklichkeit gehen nie übereinander. Ein Rest bleibt immer.« Das Ideal des Films ist die bedingungslose Liebe, seine Wirklichkeit ist der real-existierende Sozialismus. Während das Gestern Haus für Haus weggesprengt wird und aus dem Trümmerstaub eine schöne neue Plattenwelt ersteht, begegnen und verlieben sich die zweifache Mutter und Kaufhallenkraft Paula (aus dem Altbau: Angelica Domröse) und der verheiratete Nachwuchsfunktionär Paul (aus dem Neubau: Winfried Glatzeder). »Wir wollen folgendes machen«, sagt Paula, »wir lassen es dauern, solange es dauert. Wir machen nichts dagegen und nichts dafür.« Ihr radikaler Glücksanspruch steht zunächst gegen seinen aufstiegsorientierten Opportunismus, bis Paul erkennt, daß er als Teil des Systems nicht viel zu gewinnen hat, und so legt er sich in den Schatten seiner schönen Freundin … Das Drehbuch von Ulrich Plenzdorf verbindet gekonnt und wirkungsvoll scharfe Milieuzeichnung mit märchenhafter Darstellung, umgibt die graue Flüchtigkeit des Alltags mit dem Schein von Ewigkeit und (biblischem) Mythos: »Jegliches hat seine Zeit,
 / Steine sammeln, Steine zerstreun,
 / Bäume pflanzen, Bäume abhaun,
 / leben und sterben und Streit.« Heiner Carows kongeniale Regie verleiht der Ostberliner (genauer gesagt: Friedrichshainer) Liebesdichtung aus den frühen 1970er Jahren Gültigkeit weit über Zeit und Ort hinaus. »Die Legende von Paul und Paula« beschreibt den permanenten, überall bestehenden Konflikt zwischen Individualismus und Anpassung – und feiert dabei, ohne Rücksicht auf Verluste, das ganz große Gefühl: »Ihre Liebe war stark wie der Tod.«

R Heiner Carow B Ulrich Plenzdorf K Jürgen Brauer M Peter Gotthardt, Puhdys A Harry Leupold S Evelyn Carow P Erich Albrecht D Angelica Domröse, Winfried Glatzeder, Fred Delmare, Heidemarie Wenzel, Rolf Ludwig | DDR | 109 min | 1:1,66 | f | 29. März 1973

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