4.4.70

Götter der Pest (Rainer Werner Fassbinder, 1970)

Franz Walsch (der sich bei Gelegenheit auch Biberkopf nennt) wird aus dem Gefängnis entlassen. »War’s schlimm?« fragt Joanna. »Auch net anders wie draußen«, antwortet Franz. Leben als lebenslange Freiheitsstrafe. Franz (Harry Baer) bewegt sich durch das tote München wie ein Gestorbener, hockt schläfrig in pechschwarzen Räumen der Fremdheit und Vergeblichkeit, zieht lustlos von einer Frau zur anderen, von Joanna (Hanna Schygulla) zu Magdalana (Ingrid Caven) zu Margarethe (von Trotta). Nur einmal blüht er auf: als er einen alten Kumpel wiedertrifft, den kernigen ›Gorilla‹ (Günther Kaufmann), dem er es nicht einmal verübelt, daß er seinen Bruder umgebracht hat. Zusammen fahren sie aufs Land, und die Kamera, sonst wie eingefroren, hebt plötzlich ab, fliegt über Wiesen und Straßen und Dörfer. »Wir brauchen kein Geld nicht«, sagt der eine, und der andere erklärt: »Weil wir uns lieben.« Irgendwann heißt es dann doch: »Ein Geld muß eins dasein.« Und so geht der melo(un)dramatische (Anti-)Gangsterfilm in die letzte lange Kurve, mit Überfall und Verrat und Schießerei und Tod und Rache und noch mehr Tod und mit der paradoxen Erkenntnis: »Life ist very precious … even right now.« Rainer Werner Fassbinder zelebriert ein weiteres Endspiel auf der Genre-Hintertreppe, verweigert jeden Noir-Glamour zugunsten von abblätterndem Putz und zeigt, einmal mehr, daß im Zweifelsfall auch Frauen töten, was sie lieben.

R Rainer Werner Fassbinder B Rainer Werner Fassbinder K Dietrich Lohmann M Peer Raben A Kurt Raab S Franz Walsch (= Rainer Werner Fassbinder) P Rainer Werner Fassbinder, Michael Fengler D Harry Baer, Hanna Schygulla, Margarethe von Trotta, Günther Kaufmann, Carla Aulaulu | BRD | 91 min | 1:1,37 | sw | 4. April 1970

# 892 | 2. Juli 2014

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