16.12.67

Playtime (Jacques Tati, 1967)

Tatis herrliche Zeiten

Monsieur Hulots aberwitzige Karussellfahrt um das kalte Herz der Moderne. Mit der gleichen künstlerischen Radikalität wie Stanley Kubrick (dessen »2001: A Space Odyssey« parallel entsteht) fegt Jacques Tati alle Regeln der klassischen Filmdramaturgie beiseite und stellt einen einzigartigen Monolithen in die Kinogeschichte. »Playtime« hat keinen Plot sondern ein Thema, vielmehr einen Betrachtungsgegenstand: die eloxierte Welt des Spätkapitalismus, den samtgrauen internationalen Stil des materialistischen Rationalismus. »Playtime« ist eine Art Neuauflage von »Modern Times« – aber während Charlie sich noch ganz anschaulich und geradezu rührend naiv im Räderwerk altertümlicher Maschinen verhakelte, liefert Tati seine Figuren einer allesverschlingenden Abstraktion des Daseins aus, einer minutiös durchgeplanten Abwesenheit von Lebensfreude, einer eisgrauen Unlust, die bestenfalls gelegentlich durch gezielte Subversion oder schlichte Ignoranz aufzubrechen ist. In locker miteinander verbundenen Szenen, mit einem unbestechlichen Auge für architektonische Grausamkeiten und einem feinen Ohr für absurde Alltagsgeräusche werden die anonymen Orte der zeitgenössischen Existenz, die Transitstationen des unpersönlichen Lebens durchdekliniert: der Flughafen, das Büro, das Apartment, das Hotel, die Straße, das Restaurant. Tatis choreographische Komik zeigt sich auf ihrem Höhe- und Endpunkt: ultraminimalistisch und supertotal zugleich. Mit anderen Worten: es ist so lustig, daß es nichts mehr zu lachen gibt

R Jacques Tati B Jacques Tati, Jacques Lagrange K Jean Badal, Andréas Winding M Francis Lemarque A Eugène Romand S Gérard Pollicand P Bernard Maurice D Jacques Tati, Barbara Dennek, Billy Kearns, Georges Montand, Reinhard Kolldehoff | F & I | 126 min | 1:1,85 (70 mm) | f | 16. Dezember 1967

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